Urlaub darf nicht verfallen, nur weil Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag gestellt haben; Arbeitgeber haben Arbeitnehmer rechtzeitig auf nicht genommenen Urlaub hinzuweisen

BAG, Urteil v. 19.02.19, Az.: 9 AZR 541/15

Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub erlischt in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres (bzw. des Übertragungszeitraums), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Eine „zwangsweise“ Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber ist aber nicht erforderlich.
In einer aktuellen Entscheidung vom heutigen Tage hat BAG nach Vorabentscheidung des EuGH entschieden:

• Urlaub darf nicht verfallen, nur weil Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag gestellt haben,

• Urlaub kann jedoch verfallen, wenn Arbeitgeber ihre Mitarbeiter klar und rechtzeitig darauf hinweisen, den Urlaub zu nehmen, weil er sonst verfällt,

• Im Streit über verfallenen Urlaub muss der Arbeitgeber beweisen, dass er seinen Mitarbeiter entsprechend informiert hat.

Hat ein Mitarbeiter keinen Urlaub beantragt, durfte der Urlaub bisher verfallen. Das verstößt jedoch gegen EU-Recht. Arbeitnehmer behalten ihre Urlaubsansprüche, auch wenn sie keinen Urlaub beantragt haben. Arbeitgeber können das jedoch verhindern, wenn sie Mitarbeiter auf den drohenden Verfall klar und rechtzeitig hinweisen und ihnen den Urlaub ermöglichen.

Arbeitgeber müssen Arbeitnehmer auf Urlaub hinweisen

Arbeitnehmer können die Bezahlung nicht genommenen Urlaubs verlangen, wenn ihr Arbeitsverhältnis endet. Ein Mitarbeiter des Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in München e. V., dessen Beschäftigung 2013 endete, hatte deshalb die Abgeltung von 51 offenen Urlaubstagen verlangt. Zuvor hatte die Gesellschaft ihn darauf hingewiesen, dass er noch Urlaubstage habe. Darauf nahm der Wissenschaftler nur zwei Tage frei. Weiteren Urlaub hatte er nicht beantragt. Sein Arbeitgeber ging jedoch davon aus, dass der Urlaub verfallen sei und zahlte keine Urlaubsabgeltung. Den Hinweis des Arbeitgebers bestritt der Arbeitnehmer.

Das Bundesarbeitsgericht hat in diesem Fall nun ein Grundsatzurteil gefällt. Zuvor hatte es den Europäischen Gerichtshof (EuGH) befragt, weil der Fall EU-Recht berührte. Das nun verkündete Urteil folgt dessen Antwort. Klar und rechtzeitig müssen Arbeitgeber danach Arbeitnehmer auf den drohenden Urlaubsverfall laut Bundesarbeitsgericht hinweisen.

Das Bundesarbeitsgericht verwies den Fall zur Klärung, ob und wie der Hinweis erfolgt ist, an die Vorinstanz zurück. Somit muss sich nun das Landesarbeitsgericht München den Sachverhalt nochmals erörtern, bevor der Fall endgültig entschieden werden kann.
Offen bleibt jedoch, wann ein Hinweis erfolgen muss, damit er noch rechtzeitig erfolgt (Urteil v. 19.02.19, Az.: 9 AZR 541/15).Auch wenn das BAG sich bisher nicht dazu geäußert hat, wann der Hinweis erfolgen muss, damit er als rechtzeitig gilt, sollte dieser aus Arbeitgebersicht rein vorsorglich mehr als ausreichend frühzeitig gegeben werden.

Der Urlaub muss nach Erteilung des Hinweises noch (vollständig) genommen werden können. Allein dies gibt schon vor, wie früh der Hinweis mindestens erfolgen muss. Berücksichtigen muss man zudem noch als (Vorlauf-)Zeit die Zeitspanne, die die Gewährung des Urlaubs auf Arbeitgeberseite (typischerweise) benötigt. Voraussetzung bleibt schließlich auch weiterhin, dass eine Urlaubsgewährung möglich ist, was etwa bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht der Fall ist. Auch bei Urlaubssperren zum Ende des Jahres wird der Hinweis des Arbeitgebers entsprechend früher gegeben werden müssen, um sich nicht dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens auszusetzen.