1.

Ein Konzern ist ein Zusammenschluss von Unternehmen unter einheitlicher Leitung (vgl. § 18 I AktG). Bei üblichen Vertragskonstellationen obliegt die Beschäftigungspflicht nur dem einzelnen Unternehmen als Arbeitgeber. Der allgemeine Kündigungsschutz des § 1 ist grundsätzlich betriebsbezogen, in bestimmten Fällen unternehmensbezogen, aber nicht konzernbezogen ausgestaltet. Der Arbeitgeber ist vor einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich nicht verpflichtet zu versuchen, den Arbeitnehmer – analog § 1 II 2 Nr. 1 – in einem Betrieb eines anderen Unternehmens unterzubringen (BAG 20.2.2014 – 2 AZR 859/11, NZA 2014).

Dies ergibt sich schon daraus, dass die Weiterbeschäftigung durch ein anderes Unternehmen zwangsläufig zu einem Wechsel des Vertragspartners führen würde. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Verschaffung einer Beschäftigung gegen die Konzernmuttergesellschaft, mit der der Arbeitnehmer vertraglich nicht verbunden ist, wurde analog § 1 II erwogen, wenn ein abhängiges Unternehmen nur formal rechtlich selbständig handelt, tatsächlich jedoch aus konzernstrategischen Gründen angewiesen wird, bestimmte unternehmerische und damit auch betriebliche Kapazitäten auf ein anderes Unternehmen des Konzerns zu verlagern. Diese Überlegungen haben sich nur teilweise durchgesetzt. Eine Interpretation des ultima-ratio-Grundsatzes, die allein auf wirtschaftliche Verbindungen abstellt, verstieße gegen den Wortlaut des § 1 II und stünde mit dem Grundsatz der rechtlichen Trennung von Unternehmen in grundsätzlichem Widerspruch.

Selbst wenn ein herrschendes Unternehmen alle Anteile an weiteren abhängigen Unternehmen besitzt, kann dieser Verbund kündigungsschutzrechtlich nicht wie ein rechtlich einheitliches Unternehmen behandelt werden mit der Folge einer sich auf die Konzernebene erstreckenden Weiterbeschäftigungspflicht.

Das BAG hat aber bestätigt, dass ein konzerndimensionaler Kündigungsschutz auf arbeitsvertragliche Sonderkonstellationen beschränkt bleibt.

2.

a)

Erkennbare Umgehungsfälle werden aber von der gerichtlichen Rechtsmissbrauchskontrolle erfasst. Die Verlagerung von Beschäftigungskapazitäten auf den Betrieb eines anderen Unternehmens aufgrund einer Konzernweisung mit dem alleinigen Ziel, Arbeitnehmer nicht in demselben Unternehmen anderweitig beschäftigen zu müssen, kann als unternehmerische Entscheidung nicht Grundlage eines betrieblichen Erfordernisses.

b)

Bei Verlagerungen von Aufgaben innerhalb des Konzerns wird der Arbeitnehmer bei Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebs mehrerer Unternehmen ausreichend geschützt (BAG 28.2.2023 – 2 AZR 227/22, NZA 2023, 578 Rn. 17).

c)

Für besondere arbeitsvertragliche Fallgestaltungen hat das BAG einen konzerndimensionalen Weiterbeschäftigungsanspruch anerkannt.

Eine konzernbezogene Weiterbeschäftigungspflicht kann nicht nur bestehen, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt hat (BAG 18.10.2012 – 6 AZR 41/11 „Selbstbindung“).

Sie kommt auch in Betracht, wenn sich eine Unterbringungsverpflichtung gegenüber dem Vertragsarbeitgeber unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag, aus einer sonstigen vertraglichen Absprache oder aus einer in der Vergangenheit geübten Praxis – etwa in Form wiederholter Abordnungen – ergibt (BAG 22.11.2012 – 2 AZR 673/11).

Ein Anspruch auf Verschaffung eines freien und geeigneten Arbeitsplatzes bei einem konzernangehörigen Schwester- oder Tochterunternehmens setzt aber in jedem Fall voraus, dass der die Kündigung beabsichtigende Arbeitgeber über die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit verfügt, den betroffenen Arbeitnehmer in einem anderen Konzernunternehmen unterzubringen. Er muss auf die „Versetzung“ bestimmenden Einfluss haben, also – genau gesagt – die Einstellung des Arbeitnehmers durchsetzen können, wobei es keine Rolle spielt, ob die Möglichkeit der Einflussnahme auf Grund rechtlicher Regelungen (zB durch einen Beherrschungsvertrag) oder nur faktisch besteht. Die Entscheidung über die Weiterbeschäftigung darf grundsätzlich nicht dem zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten sein (vgl. BAG 22.11.2012 – 2 AZR 673/11). Von der Durchsetzbarkeit der Einstellung des Arbeitnehmers ist auszugehen, wenn der Arbeitgeber Inhaber mehrerer Unternehmen ist oder diese beherrscht, oder wenn konzernangehörige Schwesterunternehmen sich gegenüber dem Arbeitgeber zu einer Übernahme von Personal verpflichten oder ihr zugestimmt haben, etwa in einem gemeinsamen Interessenausgleich (BAG 22.11.2012 – 2 AZR 673/11).

Besteht ein einheitliches Konzernarbeitsverhältnis, bei dem sich mehrere rechtlich selbständige Unternehmen insoweit untrennbar miteinander verbunden haben (vgl. BAG 5.12.2019 – 2 AZR 147/19), sind zur Vermeidung einer Kündigung unbesetzte Arbeitsplätze in den Betrieben aller Vertragsarbeitgeber zu berücksichtigen. Ein einheitliches Konzernarbeitsverhältnis wird begründet, wenn mehrere natürliche oder juristische Personen eines Konzerns in arbeitsrechtlichen Beziehungen zu demselben Arbeitnehmer stehen und ein rechtlicher Zusammenhang der arbeitsvertraglichen Beziehungen besteht, der es verbietet, diese rechtlich getrennt zu behandeln. Ein solcher Zusammenhang kann sich aus der Auslegung der geschlossenen Verträge, aber auch aus zwingenden rechtlichen Wertungen ergeben. Anzunehmen ist dies, wenn der Arbeitnehmer über längere Zeit mehrfach in einem anderen Konzernunternehmen beschäftigt wird und kein Fall echter Leiharbeit vorliegt. Ein einheitliches Arbeitsverhältnis kann nach §§ 429 III iVm 425 II BGB nur von allen Arbeitgebern gleichzeitig gekündigt werden. Die betriebsbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn für den betroffenen Arbeitnehmer in keinem der nach dem Arbeitsvertrag verpflichteten Unternehmen weitere Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen.

d)

Zudem kommt ein Wiedereinstellungsanspruch nach § 242 BGB in Betracht, wenn der Arbeitgeber einen entsprechenden Vertrauenstatbestand gesetzt oder wenn er in treuwidriger Weise widersprüchlich gehandelt hat. Allein ein zwischen einem konzernangehörigen Unternehmen und einem Arbeitnehmer vereinbarter konzernweiter Versetzungsvorbehalt im Arbeitsvertrag, der häufig vorkommt reicht dazu nicht. Dies folgt aus dem Verbot von Verträgen zulasten Dritter. Wird der Arbeitnehmer aber nach Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags innerhalb des Konzerns tatsächlich zu einem anderen Unternehmen „versetzt“, kann er im Kündigungsfall regelmäßig jedenfalls dann auf eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit in diesem anderen Unternehmen vertrauen, wenn die Parteien im Zuge der „Versetzung“ eine – ausdrückliche oder konkludente – Anrechnungsvereinbarung über die Vorbeschäftigungszeiten bei anderen Konzernunternehmen getroffen haben.

e)

Ein schützenswertes Vertrauen auf Wiedereinstellung ist auch dann begründet, wenn ein Arbeitgeber, der den Wechsel des Arbeitnehmers zu einem Tochterunternehmen veranlasst und dabei den Anschein erweckt hat, er werde „im Fall der Fälle“ für seine Weiterbeschäftigung sorgen, entgegen dieser Ankündigung bei einer Insolvenz der Tochtergesellschaft einem Beschäftigungsverlangen des Arbeitnehmers nicht nachkommt.

Ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers gegen die Konzernmutter besteht auch, wenn die herrschende Konzerngesellschaft das Unternehmens- und Insolvenzrisiko der abhängigen Konzerntochter und damit das Erfüllungsrisiko von deren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen trägt.

f)

Es gibt zwar auch keinen generellen matrixdimensionalen Kündigungsschutz im internationalen Konzern.

Zu der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit gehört u.a. das Recht festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen. Dies gilt auch für die Aufgabenverlagerung zwischen internationalen Konzernunternehmen.

Schlussendlich kann sich der gekündigte Arbeitnehmer aber auch innerhalb der konzernweiten Matrix auf die bisherige Rechtsprechung zur konzernweiten Weiterbeschäftigung stützen.

Für die Matrixstruktur wird vertreten, dass die Kündigung eines Arbeitnehmers, der aufgrund der Matrixstruktur nicht in dem Vertragsunternehmen, sondern nur im Konzernunternehmen eingegliedert worden ist, dass Konzernunternehmen als „Auch-Arbeitgeber“ ebenso an die Vorgaben des Kündigungsschutzgesetz gebunden ist. Soweit die Position jedoch nur vom Vertragsarbeitgeber zum weisungsgebenden Arbeitgeber verschoben werde, dürfte der „Auch-Arbeitgeber“ nicht den Wegfall des Arbeitsplatzes begründen können, sondern müsse ebenfalls freie Arbeitsplätze in seinem Unternehmen berücksichtigen.

Sehr häufig ist der Arbeitnehmer in der Matrixstruktur tatsächlichen Vertragsarbeitgeber überhaupt nicht eingegliedert, sondern meistens innerhalb einer Matrix Struktur bei der Konzernmutter organisatorisch und fachlich eingebunden.

Aufgrund der meistens bestehenden tatsächlichen Möglichkeit der Konzernmutter, die Tätigkeiten  des Arbeitnehmers von der Konzernmutter auf eine Tochtergesellschaft und wieder zurück auf die Konzernmutter zu übertragen, kann für den Arbeitnehmer im Sinne eines Vertrauenstatbestandes eine Selbstbindung der Einheit aus Konzernmutter und Vertragsarbeitgeber entstehen mit der Folge, dass es nicht allein auf den Wegfall der Tätigkeiten des Arbeitnehmers bei der Tochtergesellschaft ankommt, sondern auch zu einem Wegfall der Tätigkeiten insgesamt bei der Konzernmutter gekommen sein muss, um die Kündigung betrieblich zu rechtfertigen. Auf die Möglichkeit einer Tochtergesellschaft als Vertragsarbeitgeber, Einfluss auf die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bei der Konzernmutter oder einem anderen Konzernunternehmen zu nehmen, kommt es angesichts dieses Vertrauenstatbestandes dann nicht an.

Daher ist die betriebsbedingte Kündigung der Beklagten gemäß § 1 Abs. 1 und 2 KSchG nicht sozial gerechtfertigt und kann das Arbeitsverhältnis nicht zu beenden. Diese Sichtweise hat beispielsweise das Arbeitsgericht Bonn bejaht. Die Entscheidung trifft der Literatur auf Zustimmung. Diese Betrachtungsweise macht hinsichtlich der Subordinationsverhältnisse im Konzerngeflecht Sinn, denn ansonsten wäre der Arbeitgeber allzu leicht in der Lage, sich dem Vertrauen zu entziehen.

 

3.

Sieht sich ein Arbeitnehmer im internationalen Konzern einer betriebsbedingten Kündigung ausgesetzt, gibt es durchaus eine Reihe von erfolgsversprechend Ansätzen für einen konzerndimensionalen Kündigungsschutz gegen die Kündigung. Als Folge daraus lassen sich trotz Wegfalls einer Beschäftigungsmöglichkeit im Konzernunternehmen eine Weiterbeschäftigung im Konzern durchsetzen oder die Verhandlungsaussichten mit Blick auf eine gut dotierte Abfindung erheblich verbessern.

Sehr gerne helfe ich Ihnen bei Fragen weiter.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Bernd Gasteiger LL.M.
Rechtsanwalt , Fachanwalt für Arbeitsrecht,
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht