Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV nur bei Vorsatz! Aufhebung bestandskräftiger Bescheide der DRV und auch der anderen Sozialversicherungsträger möglich!

Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12.12.2018 – B 12 R 15/18 R

Die Frage der Voraussetzungen für die Festsetzung von Säumniszuschlägen war in der Vergangenheit ungeklärt. Wann der Beitragspflichtige „verschuldet“ im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV keine Kenntnis von seiner Beitragszahlungspflicht hatte, war bislang umstritten. Das Bundessozialgericht (BSG) hat nun entschieden, welcher Maßstab für das „Verschulden“ bei Säumniszuschlägen gilt.

Bis zu dieser Entscheidung des BSG wurde insbesondere von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) die Auffassung vertreten, dass Säumniszuschläge gem. § 24 II SGB IV anfallen, wenn ein Verschulden im Sinne von § 276 BGB vorliegen würde.
Säumniszuschläge sind daher bereits bei leichtester Fahrlässigkeit erhoben worden, wobei die DRV diese leichte Fahrlässigkeit bereits dann angenommen hat, wenn kein Verfahren zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht betrieben wurde.

Das BSG hat nunmehr dieser Auffassung eine deutliche Abfuhr erteilt und klargestellt, dass der Verschuldensmaßstab des § 24 II SGB IV nicht der des § 276 BGB ist, sondern vielmehr ein eigener sozialrechtlicher Verschuldensmaßstab gilt.

Der Säumniszuschlag im Sozialrecht ist ein zusätzliches Entgelt, welches aufgrund einer verspäteten Zahlung von Sozialbeiträgen fällig wird. Er dient als Druckmittel zur Durchsetzung fälliger Sozialansprüche. Säumniszuschläge sind insbesondere bei Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung und der damit verbundenen Nachforderungen von Sozialbeiträgen relevant. Für jeden Monat der Säumnis ist ein Säumniszuschlag von 1% des rückständigen Betrags zu zahlen (§ 24 Abs. 1 S. 1 SGB IV).

Dies kann für den Beitragsschuldner eine immense Belastung bedeuten. Werden beispielsweise 10.000 Euro Sozialbeiträge für das Jahr 2015 nachgefordert, betragen die Säumniszuschläge 1.200 Euro pro Jahr. Bedenkt man dabei noch, dass eine Betriebsprüfung nur alle vier Jahre stattfindet, so kommen im Beispielsfall allein 4.800 Euro an Säumniszuschlägen zusammen. Das sind knapp 50% des zu zahlenden Nachforderungsbetrages von 10.000 Euro. Daher sollte auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Säumniszuschlägen besonderes Augenmerk gelegt werden.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat nun mit Urteil vom 12.12.2018 – B 12 R 15/18 R – entschieden, welcher Maßstab für das „Verschulden“ bei Säumniszuschlägen gilt.
„Kenntnis ist das sichere Wissen darum, rechtlich und tatsächlich zur Beitragszahlung verpflichtet zu sein. Ob ihr Fehlen unverschuldet ist, bestimmt sich nicht nach § 276 BGB, sondern nach einem eigenständigen Verschuldensmaßstab. Verschulden im Sinne des §24 Abs. 2 SGB IV setzt wenigstens bedingten Vorsatz voraus.“

Hinweise:

Die Entscheidung des BSG ist zu begrüßen. Säumniszuschläge verfolgen den Zweck, die Beitragspflichtigen zur rechtzeitigen Zahlung zu veranlassen und verspätete Zahlungen zu sanktionieren. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ist eine Sanktionierung nämlich nur gerechtfertigt, wenn der Beitragspflichtige seine Zahlungspflicht zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. In der Praxis ist die Frage der Rechtmäßigkeit von Säumniszuschlägen immer wieder zu prüfen. Dabei spielt die Verschuldensfrage eine besondere Rolle.

Da im Sozialrecht grundsätzlich die Bestandskraft von Bescheiden und auch Urteilen durchbrochen werden kann, lohnt es sich insbesondere mit Blick auf § 44 SGB X auch bereits bestandskräftige Bescheide der DRV und auch der anderen Sozialversicherungsträger in denen Säumniszuschläge erhoben worden sind, einer Überprüfung zuzuführen. Es empfiehlt sich hierbei sich kundiger anwaltlicher Hilfe zu bedienen, da davon auszugehen ist, dass die Behörden die erhobenen Säumniszuschläge verteidigen werden.