Kündigungsschutz: Kann mich mein Chef wegen Corona kündigen?
Die Anforderungen an eine Corona-bedingte Kündigung sind sehr hoch. Der Arbeitgeber hat folgende Möglichkeiten:
A. Aufhebungsvertrag
B. Krankheitsbedingte Kündigung
C. Verhaltensbedingte Kündigung
D. Betriebsbedingte Kündigung
A. Aufhebungsvertrag
Durch die Corona-Krise geraten zahlreiche Firmen in eine finanzielle Schieflage. Mit einem Aufhebungsvertrag hoffen Chefs, Mitarbeiterzahlen schnell und unkompliziert reduzieren zu können. Der Mitarbeiter erhält im Gegenzug zwar meist eine finanzielle Abfindung, steht anschließend aber vor neuen Schwierigkeiten:
ABER: Es ist Vorsicht geboten!
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld I (ALG I) entfällt für die folgenden 3 Monate.
Die Abfindungssumme kann auf die ALG-I-Bezüge angerechnet werden.
Die berufliche Neuorientierung ist durch die Corona-Krise erschwert.
Bietet man Ihnen einen Aufhebungsvertrag an, haben Sie die Wahl, ob Sie ihn unterschreiben oder nicht. Grundsätzlich gilt: Unterschreiben Sie nicht, wenn Sie die Vertragsunterlagen nicht eingehend geprüft haben oder Sie Ihren Arbeitsplatz behalten wollen.
Lehnen Sie den Aufhebungsvertrag ab, kann Ihr Arbeitgeber versuchen, Sie regulär zu kündigen. Je nachdem, welche Kündigungsform Ihr Arbeitgeber in Betracht zieht, gilt Folgendes:
B. Krankheitsbedingte Kündigung
Ich habe mich mit dem Virus angesteckt! Kann mein Arbeitgeber mir krankheitsbedingt kündigen?
Oftmals besteht zwar der Irrglaube, dass man in Deutschland nicht entlassen werden kann, wenn man krank ist. Denn tatsächlich kann auch kranken Mitarbeitern gekündigt werden. Allerdings sind die Hürden, gerade wegen einer Erkrankung kündigen zu dürfen, immens hoch.
Es muss quasi festgestellt werden, dass der Arbeitnehmer für einen erheblichen Zeitraum leistungsunfähig ist und keine absehbare Besserung zu erwarten ist. Bei einer Viruserkrankung wie Corona, ist dies regelmäßig nicht der Fall. Denn auch die jährliche Grippewelle rechtfertigt keine personenbedingte Kündigung.
Wenn Sie sich mit Covid-19 infiziert haben und deshalb nicht zur Arbeit erscheinen können, kann Ihnen nur unter engen Voraussetzungen gekündigt werden. Sie müssten für einen erheblichen Zeitraum krankgeschrieben sein, ohne dass eine Besserung absehbar ist.
Bei einer Virusinfektion wie Corona sind diese Voraussetzungen regelmäßig nicht gegeben. Eine krankheitsbedingte Kündigung wäre demnach unzulässig.
B. Verhaltensbedingte Kündigung
Eine verhaltensbedingte Kündigung wäre in Zusammenhang mit Corona in folgenden Fällen denkbar:
Arbeitnehmer bleiben ihrem Arbeitsplatz aus Angst vor dem Corona-Virus fern, ohne vorab Absprachen mit ihrem Chef getroffen zu haben.
Oder der Arbeitgeber hat sich mit dem Virus angesteckt und kommt trotz Meldepflicht zur Arbeit ohne auf meine Erkrankung hinzuweisen. Kann der Arbeitgeber dann kündigen?
In vielen Fällen wird der Arbeitgeber derartigem Fehlverhalten auf jeden Fall mit einer arbeitsrechtlichen Abmahnung begegnen. Zwar lässt sich wohl die Zukunft des Coronavirus nur schwer vorhersehen. Aber einem so fahrlässigen Verhaltensverstoß lässt sich wohl mit einer Abmahnung für die Zukunft entgegenwirken.
Eine Abmahnung wird in den meisten Fällen einer Kündigung wegen Fehlverhaltens vorausgehen müssen. Denn die Kündigung ist nach deutschem Arbeitsrecht stets das letzte Mittel.
Kam es bereits vor der Corona-Welle zu einem ähnlich fahrlässigen Verhalten und haben Sie deshalb bereits eine Abmahnung erhalten, wäre eine Kündigung im Einzelfall zulässig. In einem solchen Fall wäre aber grundsätzlich eine sogenannte verhaltensbedingte Kündigung wegen eines Fehlverhaltens denkbar. Denn der Arbeitnehmer, der wissentlich mit einer solch ansteckenden Krankheit am Arbeitsplatz erscheint – obwohl gerade die ganze Welt um deren Eindämmung kämpft – gefährdet seine Kollegen und sogar die Funktionsfähigkeit des Betriebs.
C. Betriebsbedingte Kündigung
Auch angesichts der Corona-Pandemie gilt dasselbe Arbeitsrecht wie bei Kündigungen wegen anderer Sachverhalte.
Bringt der Corona-Virus Ihren Arbeitgeber in finanzielle Bedrängnis und gefährden Produktionsrückstände oder Umsatzrückgänge die Zukunft des Unternehmens, können betriebsbedingte Kündigungen nötig sein.
Wenn beispielsweise ein Gastronomiebetrieb wegen der Auswirkungen der Pandemie einen erheblichen dauerhaften Umsatzrückgang zu verzeichnen hat und deshalb kündigt, so ist das ein geradezu klassischer Fall einer betriebsbedingten Kündigung. Hat das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate gedauert, so gilt wie in jedem anderen Fall das Kündigungsschutzgesetz und der Arbeitgeber muss vor Ausspruch der Kündigung eine Sozialauswahl durchführen. Falls es einen Betriebsrat gibt, muss dieser vor Ausspruch einer Kündigung angehört werden.
Die Anforderungen sind aber auch hier hoch: Die Unternehmensführung muss einwandfrei nachweisen, inwiefern der zu kündigende Arbeitsplatz mit den betrieblichen Einbußen zusammenhängt. Dabei darf er sich nicht auf bloße Schlagworte wie „Corona-Krise” beziehen – er muss die bisher ergriffenen Maßnahmen dokumentieren und Einzelfallargumente entwickeln.
Betriebsbedingt ist die Kündigung, wenn sich ein Arbeitgeber auf Auftragsmangel oder die zwangsweise Betriebsschließung wegen Corona beruft. Das Gesetz gewährt dem Arbeitgeber das Recht zu einer solchen Kündigung. Voraussetzung: Es muss zu einem Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten kommen. Das liegt bei Unternehmen, die direkt von Corona betroffen sind, auf der Hand: Wenn ein Geschäft aufgrund behördlicher Anordnung schließen muss, besteht keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr für das Personal. Allerdings: Nach der Rechtsprechung reicht es nicht aus, sich allein auf einen derzeitigen Auftragsmangel zu berufen. Es muss sich um einen dauerhaften Auftragsmangel handeln.
Wenn wir uns die Situation anschauen, ist das derzeit ungewiss. Möglicherweise kann schon in wenigen Wochen weitergearbeitet werden wie bisher – möglicherweise auch nicht. Das lässt sich zum heutigen Zeitpunkt noch nicht beurteilen. Daher wäre die Entscheidung eines Unternehmens zum Personalabbau und zur Kündigung zu diesem Zeitpunkt angreifbar. Das gilt umso mehr, als die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses „ultima ratio“ ist, das heißt, es müssen mildere Mittel in Erwägung gezogen werden: Können die Beschäftigten zeitweise eine andere Tätigkeit verrichten? Wie sieht es mit Kurzarbeit aus, die in dieser Situation staatlich gefördert wird?
Selbst wenn ein Unternehmen tatsächlich einen betriebsbedingten Grund für die Kündigung hat, muss es zusätzlich noch eine Sozialauswahl unter den Beschäftigten vornehmen. Das heißt, wenn ein Arbeitsplatz wegfällt, muss das Unternehmen prüfen, ob es die betreffende Person auch kündigen kann oder ob jemand anderes im Betrieb weniger schutzbedürftig ist.
Betriebliche Gründe für eine Kündigung können sich regelmäßig aus sogenannten innerbetrieblichen Umständen (also der unternehmerischen Entscheidung wie z. B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (wie Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben.
Bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen muss der Arbeitgeber darlegen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände auf die Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer auswirken (vgl. BAG, Urteil vom 17.06.1999, Az.: 2 AZR 141/99 und LAG Hamm Urteil vom 27.05.2010 – 15 Sa 1506/09).
Der Arbeitgeber muss darlegen können, in welcher Weise und in welchem Ausmaß ein Zusammenhang zwischen dem Auftragsrückgang und dem angeblich wegfallenden Arbeitsplatz und der Arbeitsmenge gegeben ist (vgl. LAG Hamm a. a. O). Dies ist zwar nicht unmöglich, verlangt aber vom Arbeitgeber einen erheblichen Aufwand bei der Argumentation und Dokumentation seiner Maßnahme.
Fazit: Die Corona-Welle könnte durchaus Unternehmen dazu zwingen, Arbeitnehmern zu kündigen. Die tatsächlichen Gründe für eine solche Kündigung, gerade auch der betriebsbedingten sollten hinterfragt werden.
Auf schlagwortartige Umschreibungen unter Hinweis auf die Wirtschaftslage wegen der Corona-Epidemie darf sich der Arbeitgeber nicht beschränken.
Grundsätzlich spricht auch die Einführung von Kurzarbeit zunächst dafür, dass der Arbeitgeber aufgrund der von ihm vorgenommenen betriebswirtschaftlich gestützten Prognose nur von einem vorübergehenden Arbeitsmangel ausgegangen ist, jedoch schließt eine solche Prognose grundsätzlich nicht aus, dass sich der Beschäftigungsbedarf während der Kurzarbeit abweichend von der Prognose entwickelt. Es obliegt dem Arbeitgeber, im Kündigungsschutzprozess nachzuweisen, dass eine Beschäftigungsmöglichkeit für einzelne von der Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer – entgegen der Prognose – dauerhaft entfallen ist. Es müssen dabei über die zur Legitimation der Kurzarbeit verbrauchten Gründe hinaus weitergehende
Die hohen Anforderungen an eine betriebsbedingte Kündigung machen sie angreifbar. Arbeitnehmer haben gute Chancen, rechtlich gegen den Verlust Ihres Arbeitsplatzes anzukämpfen.
Fazit: Was kann ich bei einer Kündigung tun?
Haben Sie eine Kündigung erhalten, lohnt sich eine rechtliche Überprüfung. Hat Ihr Arbeitgeber die Kündigung aus den falschen Gründen ausgesprochen oder Formalia missachtet, gibt es Angriffsfläche. Mithilfe einer Kündigungsschutzklage können Sie die Kündigung dann abwenden.
Viele Arbeitgeber sprechen in der aktuellen Krise Kündigungen aus, ohne diese tatsächlich und rechtlich zu hinterfragen. In vielen Fällen wäre zum Beispiel die Einführung von Kurzarbeit und der Antrag auf Kurzarbeitergeld für die Belegschaft das deutlich mildere Mittel.
Viele Arbeitgeber machen dabei zum einen den Fehler, dass sie eine falsche Kündigungsfrist bei der Kündigung zu Grunde legen. Teilweise kündigen Arbeitgeber sogar fristlos.
In den meisten Fällen wird man aufgrund der Corona Krise den Arbeitgebern nicht einmal wirklichen bösen Willen unterstellen können. Denn die völlig unerwartete Situation, dass aufgrund staatlicher Maßnahmen Betriebe, ja ganze Wirtschaftszweige stillgelegt werden, kann Arbeitnehmer aber eben auch Arbeitgeber zur Verzweiflung bringen.
Wichtig ist aber, dass auch jede Kündigung in der Corona Krise an den gleichen rechtlichen Maßstäben gemessen wird wie jede andere Kündigung. So können Fehler bei der Kündigungsfrist, Fehler bei der Sozialauswahl oder formale Fehler wie zum Beispiel die Massenentlassungsanzeigepflicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.