Befristet bis zum 19.3.2022 sah das Infektionsschutzgesetz eine weitgehende gesetzliche Verpflichtung für Arbeitgeber zur Gewährung von Home Office vor.

Wenige Arbeitgeber haben die gesamte Belegschaft sofort wieder an ihren betrieblichen Arbeitsplatz zurückbeordert. Viele Arbeitgeber haben ihre Arbeitnehmer auch vor dem Hintergrund anhaltend hoher Inzidenzwerte freiwillig weiterhin am häuslichen Arbeitsplatz arbeiten lassen und stellen den Büroalltag erst schrittweise wieder her. Es ist der Wunsch vieler Arbeitnehmer, die durchaus als komfortabel und effizient angesehene Home Office-Situation unabhängig vom Pandemiegeschehen aufrecht zu erhalten.

Arbeitsrechtliche Ausgangssituation

Arbeitnehmer haben grundsätzlich keinen Anspruch darauf, im Home Office zu arbeiten. Wie so oft kommt es auch hier auf den Einzelfall an. Gewährt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern aber über einen längeren Zeitraum die Arbeit aus dem Home Office, kann darin eine konkludente Änderung des Arbeitsvertrages im Hinblick auf den geschuldeten Arbeitsort liegen. Dies kommt sowohl in Form der Konkretisierung des Direktionsrechts, als auch bei einer kollektiven Gestattung in Form einer betrieblichen Übung, in Betracht.

1. Konkretisierung des Direktionsrechts

Für eine individuelle Konkretisierung des Direktionsrechts ist entscheidend, ob sich der Arbeitgeber aus Sicht des Arbeitnehmers aus objektiver Sicht rechtsgeschäftlich binden wollte, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung künftig nur noch im Home Office erbringen dürfen. In diesem Zusammenhang dürfte zwischen der Zeit der noch anhaltenden Pandemie und dem Übergang in eine endemische Phase zu unterscheiden sein.

Was gilt nun, wenn Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer auch nach Abflachen des Infektionsgeschehens nicht zunächst nicht wieder ins Büro zurückbeordert haben, sondern diese dort zunächst haben weiterarbeiten lassen. In diesem Fall kann der Gesundheitsschutz wohl nicht mehr als Auslegungskriterium herangezogen werden.

Nach dem BAG kann der Arbeitnehmer jedoch allein aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber eine bisherige Praxis über eine lange Zeit unverändert gelassen hat, ohne das Hinzutreten „besonderer Umstände“ noch nicht schließen, der Arbeitgeber wolle künftig auf die Ausübung seines Direktionsrechts für den Fall Home Office im Hinblick auf den Arbeitsort verbindlich verzichten. Etwas anderes ist nur denkbar, wenn der Arbeitgeber erkennbar dem Interesse der einzelnen Arbeitnehmer an einer dauerhaften Tätigkeit im Home Office Rechnung tragen wollte. Treten derartige Umstände neben dem reinen Zeitablauf nicht hinzu, lässt sich aus dem bloßen Verbleib der Arbeitnehmer im Home Office auch nach Abflachen des Infektionsgeschehens ein Rechtsanspruch nicht herleiten.

Hierzu auch das LAG München, Urteil vom 26.8.2021 – 3 SaGa 13/21:

Ein Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer gestattet hat, seine Tätigkeit als Grafiker von zu Hause aus zu erbringen, ist nach § 106 Satz 1 GewO grundsätzlich berechtigt, seine Weisung zu ändern, wenn sich später betriebliche Gründe herausstellen, die gegen eine Erledigung von Arbeiten im Homeoffice sprechen. Nach dem Willen des Verordnungsgebers vermittelt § 2 Abs. 4 SARS-CoV-2-ArbSchVO kein subjektives Recht auf Homeoffice.

Aber: Arbeitgeber hat nach billigem Ermessen vorzugehen

Die Weisung des Arbeitgebers hatte in dem der Entscheidung des LAG München zugrundeliegenden Fall die Grenzen billigen Ermessens gewahrt, da zwingende betriebliche Gründe der Ausübung der Tätigkeit des Arbeitnehmers im Homeoffice entgegenstanden. So entsprach die technische Ausstattung am häuslichen Arbeitsplatz nicht der am Bürostandort. Zudem war nicht gewährleistet gewesen, dass Daten in vergleichbarer Weise wie unter Nutzung des Firmennetzwerks vor dem Zugriff Dritter geschützt seien.

Auch das allgemeine Risiko einer Ansteckung mit Covid-19 stand der Weisung nicht entgegen, da dieses durch ein Hygienekonzept und Einzelbüros am Standort des Arbeitgebers als gering einzuschätzen war.

2. Anspruch auf Home Office aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz

Ein Anspruch aus Gleichbehandlungsgrundsatz setzt voraus, dass der Arbeitgeber eine Gruppe von Arbeitnehmern, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, aufgrund einer selbst gesetzten abstrakten Regel ohne sachlichen Grund ungleich behandelt. Dem Unternehmen steht es jedoch zu, einzelne Mitarbeiter aufgrund individueller Regelung begünstigend zu behandeln. Regelmäßig wird es einzelnen Beschäftigten aufgrund individueller Vereinbarung das Homeoffice zusprechen. Sollte dies in der Praxis so der Fall sein, ist die Geltendmachung eines Anspruchs durch andere aus Gleichbehandlungsgründen grundsätzlich nicht zu befürchten.

3. Betriebliche Übung

Die vorgenannten Grundsätze gelten gleichermaßen auf kollektiver Ebene für die Annahme einer betrieblichen Übung. Mithin führt auch die kollektive Fortsetzung des Home Office in der Regel ohne das Vorliegen besonderer Umstände nach der Pandemie zu einem verbindlichen Rechtsanspruch.

Das Entstehen einer betrieblichen Übung erfordert grundsätzlich ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, aus dem dieser schließen durfte, der Arbeitgeber wolle sich zu der gewährten Leistung auch in Zukunft verpflichten. Eine betriebliche Übung scheidet demnach aus, wenn der Mitarbeiter nur unregelmäßig und mit zeitlichen Zäsuren seine Tätigkeit aus dem Homeoffice wahrnimmt.

Im Übrigen ist zweifelhaft, ob das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung bzgl. der Gewährung von Home Office überhaupt einschlägig sein kann. Unter betrieblicher Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Bei der Gewährung von Home Office handelt es sich hingegen nicht um eine Zuwendung des Arbeitgebers, sondern um die Konkretisierung der Leistungspflicht des Arbeitnehmers. Im Übrigen kann sich die Arbeit im Home Office je nach Einzelfall und Interessenlage des Arbeitnehmers auch als belastend darstellen – eine „belastende betriebliche Übung“ kann es indes nicht geben. Beispielsweise entsteht auch keine betriebliche Übung bei Zigarettenpausen, vgl. LAG Nürnberg, Urteile vom 5.8.2015 – 2 Sa 132/15 und 5.11.2015 – 5 Sa 58/15 (rechtskräftig). Auch in diesem Fall fehlt es an einem hinreichend bestimmtes Leistungsangebot durch Arbeitgeber mangels Kenntnis über Häufigkeit und Dauer der Raucherpausen.

4. Fazit

In der Regel ergibt sich aus dem rein tatsächlichen Verbleib der Arbeitnehmer im Home Office kein Rechtsanspruch; der vertraglich geschuldete Arbeitsort konkretisiert sich hierdurch nicht auf den häuslichen Arbeitsplatz. Sofern eine individuelle oder kollektive Vereinbarung nicht besteht, bleibt es dem Arbeitgeber in Ausübung seines Direktionsrechtes gem. § 106 GewO möglich, die Arbeitnehmer unter Berücksichtigung billigen Ermessens und Einhaltung der arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben an die betriebliche Arbeitsstätte zurückzubeordern.