BGH, Urteil vom 18.05.2021 (II ZR 41/20)

 

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

 

Der BGH hat zunächst die Grundzüge der Verjährung eines Abfindungsanspruches eines Gesellschafters festgezurrt. Verjährungsbeginn ist gemäß § 199 Abs. 1 BGB das Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden und der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründeten Umständen sowie der Person des Schuldners hatte.

 

Der Abfindungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters entsteht mit dem Ausscheiden des Gesellschafters und kann nach seiner Fälligkeit geltend gemacht werden. Fällig ist der Abfindungsanspruch zum Zeitpunkt des Ausscheidens, es sei denn der Gesellschaftsvertrag enthält eine abweichende Regelung. In dem Gesellschaftsvertrag der GbR bestand eine (übliche) Ratenzahlungsvereinbarung, aufgrund dessen der Abfindungsanspruch in vier Jahresraten auszuzahlen sei, wobei die erste Rate sechs Monate nach dem Ausscheiden fällig werde. Der BGH stellte hierzu fest, dass bei ratierlicher Auszahlung des Abfindungsanspruches der Abfindungsanspruch insgesamt mit Fälligkeit der ersten Rate geltend gemacht werden könne. Diese Feststellungen sind noch unproblematisch.

 

Der Gläubiger (Gesellschafter) müsse aber auch Kenntnis von den „den Anspruch begründeten Umstände“ haben. Diese Kenntnis liege vor, wenn dem Gläubiger alle Tatsachen bekannt seien, die für die Entstehung des Anspruches erheblich seien. Ob der Gläubiger die zutreffenden rechtlichen Schlussfolgerungen gezogen habe, sei grundsätzlich irrelevant. Von diesem Grundsatz sei allerdings dann eine Ausnahme zu machen, wenn dem Gläubiger eine verjährungshemmende Klage nicht zuzumuten sei. Nicht zuzumuten sei eine Klage nach Auffassung des BGH, wenn der Kläger sich dadurch im Widerspruch zu einem anderen Verfahren setze. Ein solcher Fall lag nach Auffassung des BGH vor.

 

Der Abfindungsanspruch des Klägers war mit dem Ausschluss aus der Gesellschaft in 2009 entstanden. Mit Fälligkeit der ersten Rate sechs Monate nach dem Ausschluss war der Abfindungsanspruch noch in 2009 insgesamt fällig geworden. Verjährungsbeginn war daher der 31. Dezember 2009. Die Verjährung wäre nach Ablauf des 31. Dezember 2012 eingetreten. Bis zum 31. Dezember 2012 hat der Kläger keine verjährungshemmenden Maßnahmen (beispielsweise Klage oder Mahnbescheid) gegenüber der GbR ergriffen. Der Kläger hat vielmehr im Zeitraum von 2009 bis 2015 seinen Ausschluss aus der GbR bekämpft. In diesem Zeitraum sei es dem Kläger nicht zuzumuten gewesen, trotz seiner Klage gegen den Ausschuss zugleich eine Klage wegen der Höhe des Abfindungsanspruches zu erheben. In der Klage über die Höhe des Abfindungsanspruches hätte er sein Ausscheiden aus der GbR zugestehen müssen. Dies sei im Hinblick auf das vorherige Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses unbillig.

 

Der Kläger konnte daher frühestens nach dem Nichtzulassungsbeschluss des BGH in 2015 Klage wegen des Abfindungsanspruches erheben. Bis dahin „durfte“ der Kläger darauf vertrauen, dass sein Ausschluss rechtswidrig war.

 

Stellungnahme und Praxishinweise:

 

Die vorliegende Entscheidung bringt für die Praxis etwas mehr Sicherheit für die Frage, ob der Abfindungsanspruch bereits innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist trotz laufenden gerichtlichen Verfahrens über die Wirksamkeit der Einziehung geltend gemacht werden muss oder ob der ausgeschlossene Gesellschafter den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über die Wirksamkeit der Einziehung abwarten darf.

 

Es liegt auf der Hand, dass ein ausgeschlossener Gesellschafter zunächst gegen die Ausschließung ankämpft und erst, wenn dies nicht hilft, um die Abfindung prozessiert. Solange er noch gegen die Ausschließung ankämpft, würde er sich mit einer Abfindungsklage in Widerspruch zu diesem Hauptanliegen setzen.

 

Der BGH hat hier somit die einzig richtige und angemessene Entscheidung getroffen:

 

Die Verjährung kann nicht beginnen, bevor die Rechtslage um den Anspruch herum nicht klar ist. Und diese war im vorliegenden Fall offensichtlich nicht eindeutig. Spätestens nach den im Ergebnis divergierenden Instanz-Entscheidungen von Ausgangsgericht und Berufungsgericht war absehbar, dass es sich nicht um einen rechtlich offensichtlichen Fall handelt. Es wäre an dieser Stelle prozessökonomisch unsinnig gewesen, einen aufwendigen Streit über einen Abfindungsanspruch inzident im Verfahren über den Ausschluss des Gesellschafters zu führen. Falls sich letztlich nämlich herausgestellt hätte, dass der Ausschluss des Gesellschafters aus nicht auf den ersten Blick erkennbaren Gründen nicht wirksam gewesen wäre, hätte sich das etwaige Verfahren unnötig und wenig prozessökonomisch in die Länge gezogen, ohne dass es schlussendlich auf den Abfindungsanspruch angekommen wäre. Zudem steht eine solche rechtliche Behandlung auch im Widerspruch zu dem eigentlich verfolgten Ziel des Klägers, nämlich dem Bestehen seiner Stellung als Gesellschafter der GbR. Es wäre absurd gewesen, hätte der Kläger nur aufgrund von Verjährungsvorschriften auf der einen Seite sein Bestehen in der Gesellschaft einklagen müssen und damit genau das Gegenteil eines den Ausschluss betreffenden Abfindungsanspruch begehrt und auf der anderen Seite gleichzeitig den Abfindungsanspruch gefordert, der nur aufgrund eines vom Kläger nicht gewollten Ausschlusses fällig geworden wäre.

 

Bei Gesellschafterstreitigkeiten helfe ich Ihnen gerne weiter.

 

Bernd Gasteiger LL.M.

 

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht