OLG München, Urteil vom 1. Februar 2023 – 7 U 4346/21

Wir haben unsere Mandantin in dieser gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung als von dem Ausschluss betroffene Gesellschafterin gegenüber der Gesellschaft bis vor das Oberlandesgericht München erfolgreich vertreten. Die von uns eingelegte Berufung gegen das zunächst klageabweisende Urteil des Landgerichts war vor dem Oberlandesgericht München erfolgreich. Unsere Mandantin ist nach Ausschluss wieder Gesellschafterin der Gesellschaft geworden. Die Gesellschaft wurde durch das Urteil verpflichtet, durch ihren Geschäftsführer eine neue Gesellschafterliste nach § 16 GmbHG zum Registergericht einzureichen, die unsere Mandantin wieder als Gesellschafterin ausweist.

1. Ausgangslage bei Ausschließung von Gesellschaftern aus der Gesellschaft:

Die Ausschließung von Gesellschaftern erfolgt in der GmbH in der Regel durch die Einziehung ihrer Geschäftsanteile. Das Gesetz regelt die Einziehung in § 34 GmbHG und unterscheidet zwischen der Einziehung mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters in Abs. 1 und der sog. Zwangseinziehung (d. h. ohne Zustimmung) in Abs. 2. In beiden Fällen bedarf es einer Regelung im Gesellschaftsvertrag, die die Einziehung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafterbeschluss zulässt. Anderenfalls ist die Ausschließung von Gesellschaftern nur durch die Erhebung einer Ausschließungsklage möglich. Der Nachteil der Ausschließungsklage ist, dass die Ausschließung erst mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils wirksam wird. Bei der Einziehung durch Gesellschafterbeschluss scheidet der betroffene Gesellschafter demgegenüber bereits mit der Bekanntgabe des Beschlusses aus der Gesellschaft aus.

In Bezug auf die Zwangseinziehung bestimmt fast jeder Gesellschaftsvertrag, dass die Zwangseinziehung zulässig ist, „wenn in der Person des Gesellschafters ein wichtiger Grund für seine Ausschließung vorliegt“. Ein solcher wichtiger Grund liegt vor, wenn der Gesellschafter durch seine Person oder durch sein Verhalten die Erreichung des Gesellschaftszwecks unmöglich macht oder erheblich gefährdet oder wenn sonst die Person des Gesellschafters oder sein Verhalten die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit ihm für die übrigen Gesellschafter unzumutbar erscheinen lässt. Maßgeblich für die Frage der Unzumutbarkeit des Verbleibs des Gesellschafters ist eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Die Ausschließung eines Gesellschafters ist dabei nur als Ultima Ratio zulässig, d. h., wenn mildere Mittel zur Beseitigung der Störungen im Gesellschaftsverhältnis nicht in Betracht kommen.

2. Sachverhalt des konkreten Falls:

Unsere Mandantin war eine Ein-Personen-GmbH, die ihrerseits Gesellschafterin einer dreigliedrigen GmbH, der Beklagten, war. Gegen ihren Alleingesellschafter war ein Ermittlungsverfahren geführt worden, in dessen Verlauf ein Arrest in dessen gesamtes Vermögen verhängt worden war.

Dies hatte in einer ersten Gesellschafterversammlung unter dem Tagesordnungspunkt „Einziehung des Geschäftsanteils“ zu einer entsprechenden Aussprache geführt, an deren Ende die Einziehung nicht beschlossen worden war. Nachfolgend konnte aber der Alleingesellschafter unserer Mandantin wegen des Arrestes seine Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen, was schließlich dazu führte, dass ihm die Ausübung von bestimmten Gewerbetätigkeiten und die Tätigkeit als Vertreter eines Gewerbebetriebes untersagt worden war. Er wurde daraufhin als Geschäftsführer unsere Mandantin im Handelsregister gelöscht, was zur zeitweisen Führungslosigkeit unserer Mandantin führte. Das nahmen die übrigen Gesellschafter zum Anlass, nunmehr die Einziehung des Geschäftsanteils  unserer Mandantin zu beschließen. Dazu beriefen sie sich auf die Satzungsbestimmung, wonach die Einziehung zulässig sein sollte, wenn „in der Person des Gesellschafters ein seine Ausschließung rechtfertigender Grund“ vorliege, insbesondere wenn er „eine Verpflichtung, die ihm nach dem Gesellschaftsvertrag … obliegt, vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat“.

Das Landgericht München hatte unsere Klage auf Beschlussanfechtung der beschlossenen Einziehung der Geschäftsanteile noch abgewiesen.

Das OLG München hat im Gegensatz zur Vorinstanz einen hinreichend wichtigen Grund im Sinne dieser Klausel verneint und unsere Berufung stattgegeben.

3. Unsere Anmerkungen zur Entscheidung:

a)

Der Entscheidung des OLG ist aus unserer Sicht im Ergebnis zuzustimmen. Der wichtige Grund ist nach Ansicht des BGH ein Rechtsbegriff, der auch als Einziehungsgrund hinreichend bestimmt sei, da er lediglich die Gesetzeslage wiedergebe. Er liegt nur vor, wenn der Gesellschafter grob und nachhaltig gegen gesellschaftsbezogene Pflichten verstößt und dadurch den übrigen Gesellschaftern nach umfassender Interessenabwägung eine andere Lösung nicht mehr zumutbar ist, die Einziehung also ultima ratio ist, um einen zumutbaren Zustand wieder herzustellen. Das OLG München hatte bereits früher (OLG München, Urt. v. 08.01.1997 – 7 U 4025/96 – BB 1997, 491) erkannt, dass für den „wichtigen Grund“ allein auf die Person des Gesellschafters – dort einen Treuhänder – abzustellen sei und es nur ausnahmsweise auf den Hintermann – den Treugeber – ankomme, wenn dieser die Möglichkeit hat und diese nutzt, auf den Gesellschafter Einfluss zu nehmen und ihn zu gesellschaftsschädigendem Verhalten veranlasst. Das war hier offenbar nicht der Fall. Die vom OLG München untersuchten Gründe erfüllte – mit Ausnahme der Führungslosigkeit – lediglich der hinter  unserer Mandantin stehende Alleingesellschafter. Zwar bestimmt der Alleingesellschafter die Willensbildung in der GmbH und kann auch dem Geschäftsführer Weisungen erteilen. Davon müsste er aber tatsächlich in einer gesellschaftsschädigenden Weise Gebrauch gemacht haben, was hier nicht festgestellt worden ist und wohl auch nicht festgestellt werden konnte, da unsere Mandantin zum Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses führungslos und daher handlungsunfähig und auch unfähig zu gesellschaftsschädigendem Verhalten war.

Allein das abstrakte Risiko einer gesellschaftsschädigenden Einflussnahme kann den gravierenden Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte des Gesellschafters als ultima ratio unter dem Gesichtspunkt des wichtigen Grundes nicht rechtfertigen.

b)

Wir hatten durch beide Instanzen argumentiert, dass die Führungslosigkeit unsere Mandantin kein wichtiger Grund für eine Einziehung ist, weil dadurch weder die Gesellschaft in ihrer Geschäftstätigkeit beeinträchtigt wird noch gegenüber den Mitgesellschaftern darin ein gesellschaftsvertragswidriges Verhalten gesehen werden kann. Die Gesellschafter werden nicht gehindert, weiterhin ihre Gesellschafterrechte wahrzunehmen und insbesondere in Gesellschafterversammlungen zur Willensbildung in der Gesellschaft beizutragen. Die Führungslosigkeit schließt eine ordnungsgemäße Ladung zu Gesellschafterversammlungen nicht aus, da insoweit der Alleingesellschafter nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG empfangszuständig ist und die Ladungen weiterhin an die Adresse der Gesellschaft gerichtet werden können. Andererseits führt § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG nicht zu einer Aktivvertretung, so dass die Gesellschaft ihre Mitwirkungs- und Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung nicht ausüben kann; darin ist aber kein Verstoß gegen gesellschafterliche Pflichten und kein schwerwiegender Nachteil für die Gesellschaft oder die Mitgesellschafter zu erkennen.

4. Praxisrelevanz der Entscheidung für den Ausschluss eines Gesellschafters durch Einziehung von GmbH- Geschäftsanteilen:

a)

Die Einziehung des Geschäftsanteils ist ein schwerwiegender Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte des Betroffenen und „aus wichtigem Grund in der Person des Gesellschafters“ nur als ultima ratio zulässig, wenn dieser Grund unter Abwägung der beteiligten Interessen die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses unzumutbar macht oder der Verbleib des Gesellschafters zu einer ernsten Gefährdung für die Fortführung der Gesellschaft führt. Für die Praxis ist daher festzuhalten, dass  immer sorgfältig geprüft werden muss, ob die Umstände, die für die Einziehung fruchtbar gemacht werden sollen, in der Person des Gesellschafters begründet sind, ob es sich um die Verletzung einer Pflicht aus dem Gesellschaftsverhältnis handelt und sie schließlich so schwerwiegend sind, dass nur die Einziehung als ultima ratio verbleibt, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden.

b)

Im vorliegenden Fall ging es auch noch um die Streitfrage, ob ein wichtiger Grund für den Ausschluss als Gesellschafter überhaupt noch angenommen werden, wenn die Gesellschafter darüber bereits schon einmal entschieden und befunden haben, dass er für eine Einziehung nicht ausreiche. Ein später darauf gestützter Einziehungsbeschluss stellt aus Sicht des OLG ein widersprüchliches Verhalten und die Verletzung eines begründeten Vertrauens dar, denn schon allein die Hinnahme des Verhaltens und der Zeitablauf sprechen objektiv dagegen, dass den Gesellschaftern in Zukunft eine Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden könne.

c)

Die Entscheidung des OLG München verdeutlicht nicht nur die strengen Anforderungen, die die Rechtsprechung an das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Einziehung von Geschäftsanteilen stellt, sondern auch das Erfordernis der rechtzeitigen Geltendmachung von Einziehungsgründen.

d)

Für die Praxis bedeutet das Folgendes: Beabsichtigen Gesellschafter die Ausschließung eines Mitgesellschafters durch die Einziehung seiner Geschäftsanteile, so müssen sie in Betracht kommende Einziehungsgründe nach ihrem Bekanntwerden zügig und sorgfältig prüfen. Begründen die Gesellschafter durch längeres Abwarten bei ihrem Mitgesellschafter die Erwartung, dass sie die ihnen bekannten Einziehungsgründe für eine Einziehung nicht fruchtbar machen werden, laufen sie Gefahr, diese Einziehungsgründe zu verwirken. Eine Einziehung kommt dann allenfalls auf der Grundlage eines anderen wichtigen Grundes in Betracht. Vor dem Hintergrund der rechtlichen Unwägbarkeiten, die die Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes mit sich bringt, sollten Gesellschafter hier möglichst frühzeitig anwaltlichen Rat einholen.

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