1. Einleitung

Die Gesellschafterliste hat spätestens durch das MoMiG im Jahr 2008 an Bedeutung gewonnen und galt fortan neben dem Gesellschaftsvertrag als „Zentraldokument der GmbH und ihrer Gesellschafter“. Die Gesellschafterliste gibt wieder, wer im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter gilt und damit Gesellschafterrechte (z.B. Stimm-, Teilnahme-, Rede- und Einsichtsrechte) ausüben kann. Diese sog. Legitimationswirkung (§§ 16, 40 GmbHG) besteht selbst dann, wenn die Gesellschafterliste inhaltlich unrichtig ist. Durch die in § 16 I 1 GmbHG statuierte Legitimationswirkung gilt derjenige, der als Gesellschafter in die in das Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste eingetragen ist, gegenüber der Gesellschaft als Gesellschafter und zwar unabhängig von seiner materiell-rechtlichen Berechtigung. Sogar bei eingezogenen und nunmehr nicht mehr existenten Geschäftsanteilen gilt die Legitimationswirkung des § 16 I 1 GmbHG fort.

Wird in einer GmbH ein Beschluss über die Ausschließung eines Gesellschafters gefasst und von der Versammlungsleitung festgestellt, ist der Ausgeschlossene auf einstweiligen Rechtsschutz angewiesen, wenn er gegen seine Ausschließung vorgehen möchte. Nur so kann der Ausgeschlossene erwirken, in der Zwischenzeit (bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über seine Anfechtungsklage) weiterhin als Gesellschafter behandelt zu werden.

Anderenfalls reicht die Geschäftsführung der GmbH eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister ein, in welcher der Ausgeschlossene nicht mehr als Gesellschafter ausgewiesen ist. Dies hat zur Folge, dass der Ausgeschlossene (selbst wenn der Ausschluss gar nicht wirksam ist) als Nicht-Gesellschafter zu behandeln wäre.

Im Rahmen von Streitigkeiten im Gesellschafterkreis und Auseinandersetzung gegenüber dem Unternehmensmanagement spielt somit der einstweilige Rechtsschutz, insbesondere die einstweilige Verfügung, eine überragende Rolle. Wird ein (unwirksamer) Gesellschafterbeschluss über die Einziehung oder Zwangsabtretung der GmbH- Geschäftsanteile eines Gesellschafters gefasst, kann dieser dagegen zwar mit der Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage vorgehen. Eine Entscheidung ist regelmäßig aber erst nach Monaten, mitunter sogar erst nach Jahren zu erwarten. Wurde für die Zwischenzeit eine neue Gesellschafterliste beim Handelsregister hinterlegt, verliert der Gesellschafter bis zur Entscheidung die Möglichkeit, seine Gesellschafterrechte auszuüben.

Die Legitimationswirkung spielt bei Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern somit eine überragende Rolle.

 

  1. Formale und materielle Voraussetzungen der einstweiligen Verfügung – Anforderungen an die Glaubhaftmachung von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund

 

  • Verfügungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Verfügung

 

a)

Der Verfügungsanspruch beruht auf dem Gesellschaftsvertrag. Wenn der Gesellschafterbeschluss wegen formaler Fehler oder aus materiell rechtlichen Gründen, z.B. wegen Fehlens eines wichtigen Einziehungsgrundes unwirksam ist, hat der betroffene Gesellschafter den vertraglichen  Anspruch, weiterhin als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten behandelt zu werden.

Der Anspruch auf Einreichung und nachträgliche Berichtigung einer unrichtigen Gesellschafterliste richtet sich gegen die GmbH.

 

b)

Der Verfügungsanspruch für die Anträge im einstweiligen Rechtsschutz gegen neue Gesellschafterlisten nach Zwangsausschluss des betroffenen Gesellschafters besteht dann, wenn eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Einziehung der Geschäftsanteile des antragstellenden Gesellschafters rechtswidrig ist und damit im Hauptsacheverfahren keinen Bestand haben wird.

(1)

Es ist mit Antragstellung glaubhaft zu machen, dass der Einziehungsbeschluss zumindest an einem zur Anfechtung berechtigenden Beschlussmangel leidet. Dies ist dann der Fall, wenn der Gesellschafter bspw. glaubhaft machen kann, dass ein wichtiger Grund für die Einziehung gemäß § 34 Abs. 1 und 2 GmbHG nicht vorliegt und die Einziehung daher unberechtigt ist.

Wichtige Gründe für den Zwangsausschluss sind am Maßstab der §§ 133, 140 HGB zu messen. Ein wichtiger Grund für die Einziehung ist zudem nur dann gegeben, wenn die Fortsetzung der Gesell-schaft mit dem Ausschließenden für die übrigen Gesellschafter unzumutbar ist. Eine Entscheidung hierüber erfordert eine umfassende Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer beiden Seiten gerecht werdenden Gesamtabwägung. Dabei sind vor allem Art und Schwere des Fehlverhaltens des Auszuschließenden sowie ein etwaiges Fehlverhalten des den Ausschluss betreibenden Gesellschafters zu berücksichtigen.

Für die 2-Personen Gesellschaft in der Konstellation 50:50 ist nach ständiger Rechtsprechung (BGH NZG 2003, 625, 627 – für GbR -; BGH GmbHR 1991, 362, 363 – für GmbH –; BGHZ 80, 346 = NJW 1981, 2302, 2303 – für oHG -; BGH NJW 1960, 866, 868 f. – für GmbH -) zusätzlich zu berücksichtigen, dass einer von zwei Gesellschaftern nicht wegen gesellschaftswidrigen Verhaltens aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn auch in der Person des die Ausschließung betreibenden Gesellschafters ein wichtiger Grund zur Ausschließung verwirklicht ist.

In der Rechtsprechung ist daher anerkannt, dass es bei einer 2- Personen-Gesellschaft bereits  für die Einziehung an einem wichtigen Grund für die Einziehung fehlt, wenn in der Person des die Einziehung betreibenden Gesellschafters ebenfalls ein wichtiger Grund für einen Ausschluss gegeben ist, vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 13. Mai 2013, NZG 2013, 1146, OLG Thüringen, Urteil vom 5. Oktober 2005, NZG 2006, 36.

Diese Maßnahme des Zwangsausschlusses ist in einer 2- Personen-Gesellschaft somit selbst dann ausgeschlossen, wenn in der Person des Auszuschließenden eindeutig ein wichtiger Grund vorliegt und er durch das betreffende Fehlverhalten die Streitsituation zwischen den Gesellschaftern maßgeblich verschuldet hat, sofern der andere Mitgesellschafter aufgrund eigenen Fehlverhaltens für das Zerwürfnis mitverantwortlich ist. In solchen Fällen bleibt lediglich die Auflösung der Gesellschaft, die durch Auflösungsklage gemäß § 61 Abs. 1 GmbHG durchgesetzt werden kann, vgl. LG Frankfurt am Main, Urteil vom 13. November 2013, NZG 2013,1427.

Die Einziehung kommt auch nur als „ultima ratio“ in Betracht, nämlich wenn die Unzumutbarkeit nicht durch mildere Mittel beseitigt werden kann (BGH, NZG 2002, 625; NJW 2011, 2578, 2580 Rdn. 30; NZG 2015, 429, 432 Rdn. 37).

Wenn nicht unerhebliche Zeit zwischen Anlass des Zwangsausschlusses und der Beschlussumsetzung liegt, verliert ein angeführter wichtiger Grund, selbst wenn er vorliegt, zudem an Gewicht (vgl. BGH, Urteil vom 20.02.1995 – II ZR 46/94, juris-Rn. 18).

 

(2)

Eine Einziehung eines Geschäftsanteils an einer GmbH nach § 34 GmbHG setzt zudem voraus, dass der Geschäftsanteil voll eingezahlt ist. Andernfalls ist ein Einziehungsbeschluss nicht nur anfechtbar, sondern von Anfang an nichtig. Der Verfügungsanspruch ließe sich in einem solchen Fall leicht für den Erlass einer einstweiligen Verfügung glaubhaft machen.

 

(3)

Am Maßstab der vorstehenden Grundsätze ist dann für den ausgeschlossenen darzulegen, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass kein wichtiger Grund für die Einziehung der Geschäftsanteile des Antragstellers gemäß § 34 Abs. 1 und 2 GmbHG vorlag und die Einziehung daher unberechtigt war.

Damit ist der Verfügungsanspruch dann glaubhaft gemacht (vgl. allgemein: Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 294 Rn. 10 mwN). Es kann nicht verlangt werden, dass die Rechtslage eindeutig und die Berechtigung des Anspruchs des Antragstellers mit Sicherheit feststehen muss ( vgl. OLG Jena, NJW-RR 2017, 233; OLG München, Beschluss vom 18.05.2021 – 7 W 718/21 „hohe Wahrscheinlichkeit“). Ein noch strengerer Maßstab würde einstweiligen Rechtsschutz nicht nur weitgehend leerlaufen lassen; er steht auch nicht im Einklang mit der zwischenzeitlich ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung: Wegen der positiven wie negativen Legitimationswirkung der Gesellschafterliste aus § 16 Abs. 1 GmbHG muss, wie der BGH in seinem Urteil vom 02.07.2019 – II ZR 406/17, juris-Rn. 39 ausführt, „dem von einer möglicherweise fehlerhaften Einziehung seines Geschäftsanteils be-troffenen Gesellschafter […] daher ein effektives Mittel zur Verfügung gestellt werden, seine Ent-rechtung in der Gesellschaft während der Dauer des Rechtsstreits über die Einziehung zu verhindern bzw. seine streitige materiell-rechtliche Gesellschafterstellung bis zur Klärung der Wirksamkeit der Einziehung zu sichern. Begleitend zur Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen den Einziehungsbeschluss kann der Gesellschafter bei Vorliegen der Voraussetzungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die insoweit passivlegitimierte Gesellschaft das Verbot er-wirken, eine neue Gesellschafterliste, in der er nicht mehr aufgeführt ist, bei dem Registergericht einzureichen.“ Für korrespondierende Anträge im Falle einer bereits eingereichten geänderten Gesellschafterliste sowie Anträge auf einstweilige Behandlung wie ein Gesellschafter gilt kein anderer Maßstab.

 

  1. Verfügungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung

 

a)

Ein Verfügungsgrund für einen Anträge im einstweiligen Rechtsschutz ergibt sich bereits aus der Legitimationswirkung der Gesellschafterliste, woraus sich der vorläufige Ausschluss von der Teilnahme an den Gesellschafterrechten herleiten lässt (vgl. dazu allgemein BGH, Urteil vom 02.07.2019 – II ZR 406/17, juris-Rn. 39; Senat, Urteil vom 02.12.2020 – 7 U 4305, juris-Rn. 40; großzügig: Altmeppen in Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl., § 40 Rn. 30 f.).

 

b)

Auch das OLG München bejaht aktuell in mehreren Entscheidungen, zuletzt mit Beschluss vom 22.02.2022 – 7 W 186/22 in den Fällen, in denen die Satzung der Gesellschaft eine Einziehung von Geschäftsanteilen vorsieht (zur Ausschließung ohne Satzungsgrundlage vgl. Senat, Urteil vom 02.12.2020 – 7 U 4305/20) und die Gesellschafterversammlung einen solchen Beschluss fasst, grundsätzlich insoweit ein Verfügungsgrund, als der von der Einziehung betroffene Gesellschafter bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache seine Weiterbehandlung als Gesellschafter erreichen will (vgl. OLG München, Beschluss vom 18.05.2021 – 7 W 718/21, Rdnr. 56).

Das OLG München bejaht grundsätzlich auch einen Verfügungsgrund, insoweit als der von der Einziehung betroffenen Gesellschafter die Einreichung einer korrigierten, ihn wieder als Ge-sellschafter ausweisenden Gesellschafterliste verlangt. Denn anderenfalls wäre es von zeitlichen Zufälligkeiten abhängig, ob aufgrund eines in der Hauptsache umstrittenen Gesellschafterbe-schlusses eine diesem Beschluss folgende Gesellschafterliste im Handelsregister eingetragen wird oder in selbigem unkorrigiert verbleibt ( OLG München, Beschluss vom 18.05.2021 – 7 W 718/21, Rdnr. 59).

 

  1. Zusammenfassung

 

Um seine Rechtsposition vorläufig zu sichern, ist dem von einem Zwangsausschluss betroffenen Gesellschafter die Möglichkeit eröffnet, im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Einreichung einer neuen Gesellschafterliste vorzugehen. Sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Gesellschaft kann darauf gerichtet sein, dass gar nicht erst eine neue Gesellschafterliste eingereicht wird oder dass eine bereits eingereichte Gesellschafterliste korrigiert wird.

Zum Erlass einer einstweiligen Verfügung muss der Gesellschafter dem Gericht glaubhaft machen, dass der Einziehungs- bzw. Zwangsabtretungsbeschluss unwirksam ist (Verfügungsanspruch) und dass ein Verfügungsgrund – also eine besondere Eilbedürftigkeit – besteht. In einem Fall folgt diese Eilbedürftigkeit regelmäßig aus der Gefahr, durch die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste die Befugnis zur Ausübung von Gesellschafterrechten zu verlieren (hierzu auch OLG München, Beschluss vom 18.05.2021, Az. 7 W 718/21). Doch selbst wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, erlässt das Gericht nicht automatisch eine einstweilige Verfügung. Der Verfügungsgrund kann nämlich entfallen, wenn der Antragsteller die Dringlichkeit durch sein eigenes Verhalten widerlegt (z.B. indem er wie vorliegend mehrere Monate mit dem richtigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wartet).

Wer seine Rechtsposition sichern will, sollte Maßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz daher zeitnah nach dem Einziehungs- bzw. Zwangsabtretungsbeschluss ergreifen.

 

Ich helfe Ihnen gerne weiter.

 

Ihr

Bernd Gasteiger, LL.M.

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Fachanwalt für Arbeitsrecht