Hintergrund:

Wird durch den Arbeitgeber in einer Betriebsabteilung gleichzeitig Kurzarbeit eingeführt und betriebsbedingt gekündigt, so ist die Kündigung regelmäßig unwirksam. Die Anordnung von Kurzarbeit schließt es aus, dass betriebsbedingte Kündigungsgründe für die Beendigungskündigung vorliegen.

Im Zuge der Corona-Pandemie ist es vielfach zu Kündigungen von Arbeitsverhältnissen gekommen, die der Arbeitgeber darauf gestützt hat, dass es im Zuge der Pandemie und der sich hieraus ergebenden Einschränkungen, zu einem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs gekommen ist.

Eine betriebsbedingte Kündigung ist aber gem. § 1 Abs. 2 und 3 KSchG nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie auf dringenden betrieblichen Erfordernissen beruht, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen und die Sozialauswahl richtig durchgeführt worden ist. Betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung können sich dabei aus innerbetrieblichen Umständen und/oder durch außerbetriebliche Gründe ergeben.

Daran fehlt es, wenn außer- oder innerbetriebliche Umstände nicht zu einer dauerhaften Reduzierung des betrieblichen Arbeitskräftebedarfs führen.

Insoweit ist regelmäßig eine Prognose dahingehend anzustellen, ob die Beschäftigungsmöglichkeit dauerhaft wegfällt. Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen.

Mit einem derartigen Sachverhalt hatte sich das Landesarbeitsgericht München im Zuge des Urteils vom 05.05.2021 (5 Sa 938/20) zu beschäftigen.

Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 05.05.2021, Aktenzeichen 5 Sa 938/20

Sachverhalt:

Die Arbeitgeberin beschäftigte ständig mehr als 10 Arbeitnehmer. Es handelt sich um ein Unternehmen der Reise- und Tourismusbranche. Es wurden von dem Unternehmen Schiffsservice, Parkservice, Touren und Gepäcklogistik angeboten. Wegen der Corona-Pandemie hatte die Stadt P eine Allgemeinverfügung erlassen, die das Anlegen von Personenschiffen im gesamten Stadtgebiet verbot. Dadurch wurden bei der Arbeitgeberin keine Stadtführungen mehr nachgefragt.

Die Klägerin und ein weiterer Kollege von ihr führten bei der Arbeitgeberin Stadtführungen durch. Für den Kollegen nahm die Arbeitgeberin ab 09.03.2021 die Kurzarbeiterregelung in Anspruch.

Die Klägerin des Verfahrens ist 1954 geboren und hatte das Rentenalter überschritten. Deshalb war für sie die Beantragung von Kurzarbeit nicht möglich.

Mit der Klägerin wurde von der Arbeitgeberin über eine Herabsetzung ihrer Monatsvergütung verhandelt. Zunächst wurde von der Arbeitgeberin eine Herabsetzung auf 1500,00 € brutto angeboten, später auf 1000,00 € brutto. Die Arbeitnehmerin lehnte ab, weil sie bei der letztgenannten Summe mit ca. 800,00 € netto auf einen Betrag unterhalb des Hartz-IV-Satzes gekommen wäre.

Die Arbeitgeberin erklärte daraufhin unter dem 08.04.2020 die Beendigungskündigung. Sie begründete diese mit dem Rückgang der Anforderung von Stadtführungen infolge der Corona-Pandemie. Die Klägerin erhob eine Kündigungsschutzklage. In der 1. Instanz vor dem Arbeitsgericht Passau verlor sie, in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht München hat sie den Prozess endgültig gewonnen – das Landesarbeitsgericht hat keine Revision zugelassen, weil sein Urteil auf einer gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beruht.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts befindet sich im Einklang mit der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu dieser Frage. Das Landesarbeitsgericht hat in dem Urteil kurz auf den Weg hingewiesen, den Arbeitgeber in einem solchen Fall gehen müssten. Eine Beendigungskündigung ist nach dem Gesetz immer das letzte mögliche Mittel. Zuvor muss die Arbeitgeberin alle den /die Arbeitgeberin weniger belastenden Maßnahmen probiert haben. Richtig wäre der Weg der Änderungskündigung. Das Landesarbeitsgericht hat darauf hingewiesen, dass mit einer Änderungskündigung auch eine nur vorübergehende Absenkung der Vergütung von Seiten des Arbeitgebers versucht werden kann.

Analyse der Entscheidung und Praxishinweise:

Betriebsbedingte Kündigungen während einer Kurzarbeitsphase sind nicht grds. ausgeschlossen, sondern sind – wenn auch nur unter bestimmten Voraussetzungen – möglich.

Man muss hier schon genau beachten, was das Urteil bedeutet. Es ist in Unternehmen, die Kurzarbeit eingeführt haben, nicht immer gesetzeswidrig, betriebsbedingt zu kündigen. Denkbar ist beispielsweise, dass ein Unternehmen zwei Betriebe hat und aufgrund von Auftragsrückgangs beschließt, einen der Betriebe einzustellen und in dem anderen Kurzarbeit zu beantragen. Das wäre möglich. Auch wäre es möglich, in verschiedenen Arbeitsbereichen nur zum Teil Kurzarbeit einzuführen. In solchen Fällen könnte auch eine betriebsbedingte Beendigungskündigung möglich sein.

Auch bei Ausspruch von Kündigungen während der Kurzarbeit sind die ordentlichen Kündigungsfristen zu beachten. Weiter erlischt bei Ausspruch der Kündigung automatisch der Anspruch auf Kurzarbeitergeld für den betroffenen Arbeitnehmer und die Agentur für Arbeit stellt die Zahlungen für den gekündigten Arbeitnehmer nach § 98 Abs. 1 Nr. 2 SGB III ein.

Fraglich ist dann, ob dem gekündigten Arbeitnehmer bei Verlust des Anspruchs auf Gewährung von Kurzarbeitergeld, bis zum Kündigungszeitpunkt der volle Lohn von Seiten des Arbeitgebers zusteht.

Das Erlöschen des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld ändert nichts an der tarif-/einzelvertraglich oder per Betriebsvereinbarung vereinbarten Reduzierung der Arbeitszeit und dem damit einhergehenden Verdienstausfall. Der Arbeitnehmer bleibt bis auf Weiteres also nur noch zur verringerten Arbeitsleistung verpflichtet (oder bei „Kurzarbeit Null“ entfällt die Arbeitsverpflichtung sogar vollumfänglich) und stellt sich auf entsprechend reduzierte Vergütung ein – sowie regelmäßig im Zuge typischer „Kurzarbeitsvereinbarungen“ auch auf die zusätzliche Zahlung des sozialversicherungsrechtlichen Kurzarbeitergeldes. Das Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers und eine Zahlungsverpflichtung bei Entfall persönlicher Voraussetzungen zur Gewährung von Kurzarbeitergeld können auch lediglich auf diese Höhe begrenzt sein. Deshalb können Arbeitnehmer grundsätzlich auch zukünftig nur Bezahlung in Höhe des Betrags verlangen, den sie im Falle der Gewährung von Kurzarbeitergeld durch die Agentur für Arbeit erhalten hätten. Sie sind somit während des festgelegten Kurzarbeitszeitraums finanziell nicht besserzustellen, als wenn weiterhin Kurzarbeitergeld gezahlt worden wäre.

Die Feststellung der vom Arbeitgeber geschuldeten Vergütung nach Ausspruch der Kündigung kann von individuellen Regelungen abhängen und insofern Schwierigkeiten bereiten. Diese Schwierigkeiten können, ebenso wie die grundsätzlichen Fragen zum Verhältnis von Kurzarbeit und Kündigung, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils strategische Verhandlungspunkte sein. Sie können einvernehmlich, beispielsweise bei einer umfassenden außergerichtlichen oder gerichtlichen Einigung der Parteien, abschließend gelöst werden.