Außerdienstliches Verhalten als fristloser Kündigungsgrund? Grundsätzlich ist das außerdienstliche Verhalten für das Arbeitsverhältnis ohne Belange

Kündigungsrecht: Außerdienstliche Straftat rechtfertigt keine fristlose Kündigung

LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.4.2018, 11 Sa 319/17

Diese Klarstellung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf im Fall eines Laborangestellten bei einem Chemieunternehmen. Er arbeitete dort seit 1991 im Bereich der Qualitätsanalyse. Im Wesentlichen war er damit befasst, Silikonprüfplatten herzustellen und zu prüfen. Im August 2016 wurden in seiner Wohnung von der Polizei 1,5 Kilogramm chemische Stoffmischungen gefunden, die von dieser als gefährlich bewertet wurden. In der Wohnung befand sich zudem ein Kilogramm eines Betäubungsmittels. Am 13.8.2016 wurde der Arbeitnehmer wegen des Versuchs eines Sprengstoffvergehens aus April 2016 verurteilt. Der Arbeitgeber erfuhr durch Presseberichte von diesen Vorfällen. Er hörte den Arbeitnehmer an und kündigte dann das Arbeitsverhältnis fristlos. Später sprach er auch eine fristgemäße Kündigung aus.

Gegenstand des Verfahrens vor dem LAG war nur die fristlose Kündigung, gegen die der Arbeitnehmer sich mit seiner Kündigungsschutzklage wehrt. Diese hatte anders als vor dem Arbeitsgericht vor dem LAG Erfolg. Die Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung wegen außerdienstlichen Verhaltens waren nicht gegeben. Allerdings kann auch bei außerdienstlichem Verhalten eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommen, wenn diese die Eignung bzw. Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers entfallen lässt. Dabei sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: die Art und Schwere des Delikts, die konkret nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Tätigkeit sowie die Stellung im Betrieb.

In Anwendung dieser Grundsätze erwies sich die fristlose Kündigung als unwirksam. Zwar hatte der Arbeitnehmer im Labor Zugang zu gefährlichen Chemikalien. Diese wurden bei seiner eigentlichen Arbeitsaufgabe in der Qualitätsanalyse aber nicht verwandt. Hinzu kam, dass das Arbeitsverhältnis seit 1991 bestanden hatte. Auch wenn sich das Unternehmen in einem Chemiepark befindet, der generell vom Arbeitgeber als sicherheitsrelevant eingestuft wird, rechtfertigen die außerdienstlichen Vorwürfe gegenüber dem Arbeitnehmer in Ansehung seiner konkreten Arbeitsaufgabe, der Stellung im Betrieb und der langen Betriebszugehörigkeit keine fristlose Kündigung. Über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung hatte die erkennende Kammer nicht zu entscheiden. Im Hinblick auf diese hat sie dem weiteren Begehren des Arbeitnehmers auf tatsächliche Weiterbeschäftigung nicht entsprochen.

Hinweis für die Praxis:

Entscheidend ist die konkrete Auswirkung des außerdienstlichen Fehlverhaltens auf das Arbeitsverhältnis. Diese Auswirkungen können bejaht werden, wenn sich die außerdienstliche strafbare Handlung auf die Frage der Eignung des Arbeitnehmers erstreckt oder zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung führt, bspw. der Führerscheinentzug bei Kraft­fahrern, Sittlichkeitsdelikte bei Erziehern oder Vermögensdelikte bei Buchhaltern.

Wirkt sich ein außerdienstliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers konkret auf das Arbeitsverhältnis aus, so ist der Arbeitgeber zur Abmahnung berechtigt. Neben der Abmahnung kommt je nach Lage des Einzelfalls auch eine fristgerechte Kündigung in Betracht, regelmäßig aber erst nach vorheriger einschlägiger Abmahnung. Nur in besonders schwerwiegenden Fällen ist auch eine fristlose Kündigung gerechtfertigt.

Auf eine Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung wird nur dann verzichtet werden können, wenn die konkreten Auswirkungen eines außerdienstlichen Fehlverhaltens vertrauenszerstörenden Charakter besitzen.

Außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers ist selbst bei strafbaren Handlungen nicht stets kündigungsrelevant. Die vorliegende Entscheidung macht deutlich, dass selbst bei vorhandenen Bezügen zum Arbeitsverhältnis die Rechtsprechung hohe Anforderungen an die erforderlichen konkreten Auswirkungen stellt. Entscheidend ist dabei nicht der subjektive Eindruck des Arbeitgebers oder von Arbeitskollegen. Vielmehr müssen das Arbeitsverhältnis oder die betrieblichen Interessen für den objektiven Betrachter nachhaltig berührt sein.