Wettrennen um das Handelsregister – Einstweilige Verfügung auf Eintragung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste bei Einziehung von Gesellschaftsanteilen

Gesellschaftsrecht, Gesellschafterstreit, GmbH-Recht, Einziehung von Gesellschaftsanteilen aus wichtigem Grund, Beschlussanfechtung, einstweilige Verfügung, Gesellschafterliste

Landgericht Kassel hat mit Urteil 11.07.2018 (11 O 4146/16)

Leitsatz:

Das Landgericht Kassel hat mit Urteil 11.07.2018 (11 O 4146/16) entschieden, dass zum Schutz vor dem Verlust des Geschäftsanteils an Dritte durch gutgläubigen Erwerb bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit der Einziehung die Zuordnung eines Widerspruchs zu der neuen Gesellschafterliste im Wege einer einstweiligen Verfügung geboten ist, wenn der Gesellschafter glaubhaft macht, dass kein wichtiger Grund für die zwangsweise Einziehung seines Geschäftsanteils gegeben ist. Die Klage ist nach Auffassung des Landgerichts Kassel gegen die Gesellschafter zu richten, die zu Unrecht als Alleingesellschafter in der Gesellschafterliste eingetragen sind.

Sachverhalt:

K ist an der X-GmbH mit 50 % beteiligt, B1 und B2 sind dies mit jeweils 25 %. Aufgrund eines Verstoßes gegen das im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Wettbewerbsverbot beschlossen die B1 und B2 die Einziehung der Geschäftsanteile des K. B1 reichte beim Handelsregister eine neue Gesellschafterliste ein, in der ausschließlich B1 und B2 mit Geschäftsanteilen zu insgesamt je 50 % des Stammkapitals eingetragen sind.

K erhob Klage gegen den Einziehungsbeschluss und stellte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste.

Das Landgericht Kassel hat im Wege der einstweiligen Verfügung angeordnet, dass zur Gesellschafterliste ein Widerspruch einzutragen ist, sofern die B1 und B2 als die alleinigen Gesellschafter vermerkt sind und die Eintragung des K aufgrund behaupteter Einziehung ihrer Geschäftsanteile fehlt.

K habe glaubhaft gemacht, dass der Einziehungsbeschluss (zumindest) an einem zur Anfechtung berechtigenden Beschlussmangel leide, weil ein wichtiger Grund für die Einziehung fehle, somit der Verfügungsanspruch bestehe. Der Wettbewerbsverstoß sei nicht so gravierend, dass er als Ultima Ratio die Einziehung rechtfertige. Daher sei zum Schutz vor dem Verlust des Geschäftsanteils die Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste geboten, da deren Legitimationsfunktion auch durch die erfolgreiche Anfechtung/Nichtigerklärung des Einziehungsbeschlusses nicht verhindert werde, so dass für den Widerspruch ein Bedürfnis bis zur Vorlage einer neuen – korrigierten – Liste bestehe.

Dass K noch durch die Dreijahresfrist des § 16 Abs. 3 Satz 2 GmbHG geschützt sei, stehe dem Widerspruch nicht entgegen, da diese Bestimmung § 16 Abs. 3 Sätze 4, 5 GmbHG nicht einschränke.

Praxishinweise:

Vor allem bei Gesellschafterstreitigkeiten verschärft sich der Wettlauf zwischen den verschiedenen Parteien nochmals. Die verbleibenden Gesellschafter (und die Gesellschaft) wollen die Veränderungen beim Handelsregister möglichst schnell herbeiführen, der von der Einziehung Betroffene will möglichst verhindern, dass eine neue Gesellschafterliste eingereicht wird.

Für die betroffene Gesellschaft ist dies vor allem dann unbefriedigend, wenn die Geschäftsanteile wie im gegenständlich der Entscheidung des LG Kassel zugrundeliegenden Fall aus wichtigem Grund (z. B. aufgrund erheblicher Pflichtverletzungen des Gesellschafters) eingezogen wurden und sie den Gesellschafter so schnell wie möglich aus ihrem Gesellschafterkreis entlassen und von Entscheidungen über die Gesellschaftspolitik ausschließen möchte.

Die Gesellschaft bzw. die hierfür zuständigen Geschäftsführer werden in solchen Fällen folglich alles daran setzen, so schnell wie möglich eine aktualisierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen. Dabei sollten sie unbedingt auf die Einhaltung der für Gesellschafterlisten geltenden Formalia achten, um eine Zurückweisung der Gesellschafterliste durch das Registergericht und daraus resultierende ungewünschten Verzögerungen bei der Hinterlegung der neuen Gesellschafterliste zu vermeiden.

Die Einreichung der neuen Gesellschafterliste können (und müssen) die Geschäftsführer übrigens auch dann veranlassen, wenn der zugrundeliegende Einziehungsbeschluss vom betroffenen Gesellschafter gerichtlich angefochten wurde (außer wenn ihnen bekannt oder eindeutig erkennbar ist, dass die Einziehung der Geschäftsanteile rechtswidrig war).

Diese Möglichkeit, eine aktualisierte Gesellschafterliste trotz einer anhängigen Klage gegen den zugrundeliegenden Einziehungsbeschluss einzureichen, schützt zwar die Gesellschaft, birgt für den von der Einziehung betroffenen Gesellschafter jedoch ein Risiko.

Denn wird auf seine Klage hin im Nachhinein festgestellt, dass die Einziehung unrechtmäßig war, verliert er durch die Einreichung einer neuen, die Einziehung ausweisende Gesellschafterliste (vorerst) die Möglichkeit, die ihm eigentlich zustehenden Gesellschafterrechte auszuüben.

Um sich vor den daraus resultierenden Negativfolgen zu schützen, steht dem Gesellschafter ein Vorgehen im einstweiligen Rechtsschutz offen.

Eine Anleitung für einen effektiven Rechtsschutz des Gesellschafters bietet in derartigen Konstellationen bereits die Entscheidung des Kammergerichts Berlin aus dem Jahr 2017:

Nach der Entscheidung des KG Berlin ist eine Gesellschafterliste nämlich dann nicht maßgeblich, wenn sie entgegen einer einstweiligen Verfügung zum Handelsregister eingereicht wurde.

Eine einstweilige Verfügung, mit welcher der Gesellschaft die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste zum Handelsregister untersagt wird, verpflichtet die Gesellschaft, Maßnahmen zur Verhinderung der Listeneinreichung zu ergreifen und hilfsweise die Einreichung einer Korrekturliste zu veranlassen. Dies hat das Kammergericht in Berlin in seinem Urteil vom 9. November 2017 klargestellt.

Verstößt die Gesellschaft gegen diese Verpflichtung muss sie sich so behandeln lassen, als sei die von der Verfügung betroffene Gesellschafterliste nie in das Handelsregister aufgenommen worden.

Über die eingeschränkte Rechtskraftwirkung einer im vorläufigen Rechtschutzverfahren gegen die Gesellschaft ergangenen Entscheidung kann sich die Gesellschaft nicht hinwegsetzen, indem sie – unter Berufung auf die generelle Legitimationswirkung von Gesellschafterlisten – ohne Beteiligung des in der hinterlegten Gesellschafterliste nicht mehr als Gesellschafter ausgewiesenen Gesellschafters Beschlüsse fasst.

Empfehlenswert ist es daher für den betroffenen Gesellschafter, sich schon vor der Hinterlegung einer aktualisierten Gesellschafterliste zur Wehr zu setzen und der Gesellschaft bzw. deren Geschäftsführern per einstweiliger Verfügung die Einreichung einer solchen Gesellschafterliste zu untersagen.

Entscheidung des Kammergerichts

So sieht es auch das Kammergericht und konkretisiert zugleich die Pflichten der betroffenen GmbH und ihrer Geschäftsführer in einem solchen Fall:

Wenn Ihnen durch einstweilige Verfügung die Einreichung einer bestimmten geänderten Gesellschafterliste untersagt wird, bedeutet dies nämlich

•dass die GmbH und ihre Geschäftsführer selbst keine solche Gesellschafterliste zum Handelsregister einreichen dürfen;
•dass sie die Pflicht trifft, die Einreichung einer solchen Gesellschafterliste zu verhindern und
•dass sie hilfsweise eine korrigierte Liste (mit dem bisherigen Gesellschafterbestand) einreichen müssen.

Werden diese Pflichten verletzt, ist die Gesellschaft so zu behandeln, als sei die aktualisierte und verbotswidrig eingereichte Gesellschafterliste nie in das Handelsregister aufgenommen worden.

Urteil LG Kassel:

Das Urteil des LG Kassel folgt mit Anordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste bei einer streitigen Einziehung der Rechtsprechung zum Schutz des von einer Einziehung betroffenen Gesellschafters der obig dargestellten Entscheidung des Kammergerichts Berlin. Es ordnet die Eintragung des Widerspruchs dem neuen bzw. übertragenen Anteil zu, und bejaht damit die Passivlegitimation der neuen Anteilsinhaber (bereits OLG Jena, Urteil vom 5. Dezember 2012, 557 / 12).

Dies ist vor dem Hintergrund von § 40 GmbHG nicht zwingend, weist dieser doch die Verantwortung für die Gesellschafterliste den Geschäftsführer zu, was eine Passivlegitimation der GmbH bedeuten würde. Beim Vollzug der einstweiligen Verfügung muss infolge des Urteils der Widerspruch bei den neu geschaffenen Anteilen bzw. den neuen Anteilsinhaber eingetragen werden.

Einstweilige Verfügung sichert somit Stellung des Gesellschafters und Beteiligung an Gesellschafterbeschlüssen.

Ich helfe Ihnen als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht gerne weiter!